2002-2003Gedicht

Gedicht und Limerick – Schaffensphase November – Dezember 2002






Die Wasserrückgewinnung am Strand

Gallone für Gallone
Liter für Liter
Milliliter für Milliliter
Das Wasser wird gewonnen

Kostbares Gut
Rückgewinnung
Ein liquider Prozess
Mühsame Prozedur

Ungenießbares trinkbar zu machen
Grundlage des Lebens
Bestandteil des menschlichen Körpers

Etwas aus dem Nichts zu machen,
ein Etwas, das sich trinken lässt.

Das Salz muss verschwinden.
Von Salz- zu Süßwasser
Komplizierter Prozess
Neuste Techniken angewandt

Tankbehälter im Erdboden verschwunden
Reservoirs in Hülle und Fülle
in gewaltiger Anzahl

Hier dreht sich alles,
um Wasser
am Strand.




Der Lack des Spielzeugparadieses

Spielzeuggeschäftsarmada
Auf engstem Raum
eine ungeheure Zahl.

Kinderherzen,
sie schlagen höher.
Strahlende Gesichter,
sie glänzen und lachen.

Kisten über Kisten
Puppen und Figuren
Bälle, Schläger oder Kinderschmuck
Es glitzert in Regenbogenfarben.

Doch schaut man näher,
so ist der Lack schnell ab.

Billigproduktionen
aus Fernost
Gestank steigt aus den Kisten.

Wie Nebel sich ausbreitet,
so steigt er auf.
Erfasst die Sinne,
quält Nase und Hirn.

Massenware
schnell absetzen
Profit statt Qualität

Geschäft zulasten Kinder
Die Schutzwürdigsten als Ziel




Beim Ausladen des LKWs

Beim Ausladen kommen die tiefgründigsten Gedanken,
wenn man durch das Gewicht anfängt zu schwanken.
Es schmerzen die Glieder
und das immer wieder.
Das Gehirn wird sich bedanken.




Das städtische Inselrefugium

Ruhigste Ecke der ruhigsten
Insel.
Elegante Kurve,
steinerne Begrenzung.
Schutzoase,
Tresor der Ruhe.

Unwillkürliches Innehalten,
Besinnen,
die Zeit scheint nicht zu rinnen,
endlich!
Umherblicken, den Blick
schweifen lassen,
Selbsterkennen auf dem Spiegel
der Seine.
Sie plätschert
lauter als der Autolärm.

Vornehme Fassaden,
kühler Sandstein,
goldene Regenrinne,
die Insulaner verschwunden.
Leere Paläste,
verklungene Feste,
heute feiert rauschend nur
der Tourist.

Ehemaliger Raucher-Club,
längst verzogener Qualm.
Heute qualmt lauschend nur
der Tourist.
Er hört Abgeschiedenheit,
ignoriert die Vornehmheit.
Zigarette zu Ende,
stapft er weiter behände.
Er bringt Leben
in das starre Streben.




Eine U-Bahn ohne Fahrer

Bahnsteig begrenzt durch Glaswand,
öffnet sich mit Zugtüren,
perfekt synchron,
Selbstmord ausgeschlossen.

Alle rein,
schnelle Fahrt,
führerlos,
komisches Gefühl.

Statt Fahrer
sitzen Zuggäste
ganz vorne.

Ein Mensch kontrolliert von Ferne.
Seltsam einsam,
kein Bezug.
Maschinen agieren
sicherer,
schnellerer Takt,
effizienter,
unpersönlicher.
Die Tunnel heller beleuchtet als die alten,
breiter,
Die Züge rattern nicht mehr,
gleiten auf Reifen
in raumgreifenden Schritten
durch den Untergrund,
durch den hellen Schlund.
Es mag mir nicht gefallen.




Ein Gentleman-Dieb lebt auf großem Fuß

Vor seinem ganzen gestohlenen Gut
zieht man ehrfurchtsvoll den Hut.
Der Lebensstil hat sich angehoben,
er ist auch schon umgezogen.
Wie das Unrecht doch „gut“ tut!




Eine Antiquitätenfundgrube

Ehemals ein Grandhotel
direkt gegenüber dem größten Kunstschatz der Welt.
Es verwelkte,
heute nur noch verblasste Buchstaben über dem Eingang,
die letzten Zeugen einer vergangenen Institution.

Heute wohnen dort Möbel,
alte Gegenstände.
Wertvolles.
Glänzende Glasvitrinen,
kunstvoll beleuchtet.
Es ist ein Erlebnis,
der Eintritt in eine andere Welt.
Besonders beeindruckend
in der Dämmerung,
vom Samtblauen
ins gold-gediegene Prachtdekor.
Braune Gänge mit lauter
Schätzen links und rechts.
wie der große Bruder gegenüber –
nur ohne Eintritt.




Die Sichtung des weißen Wals

Gigantische Flosse
Weiß gefärbt
Erhoben aus den Wogen
Mit einem Klatscher gelandet

Ein weißer Gigant
Ungewöhnlicher Pottwal
Mächtiges Tier

Eine seltene Sichtung
Erlebnis des Lebens
Wenn ein Ungeheuer,
so nah am Schiff auftaucht.

Leicht könnte er es heben,
schwer wäre es nicht,
Tonnen sind ein Leichtgewicht!
Für ihn, der sich selbst trägt.




Ein Viertel für Henry E. Huntington

Eisenbahn war sein Geschäft
Pacific Electric Railway

Schienen verlegen
Menschen verbinden
Reisezeiten verkürzen
Alles auf Räder bringen

Der Dampf treibt an
Sein Straßenbahnnetz
Eine industrielle Kreation
von unerreichbarer Länge
Monopol in LA

Ein Spinnennetz aus Gleisen
In Huntington Park,
da liefen die Fäden zusammen.

Sein Viertel
Sein Ausgangspunkt
Die Mitte seines Imperiums
Der Anfang vom Ende
Der Mittelpunkt des Scheiterns




Mittagsmahl im rustikalen Ambiente

Rappelvoll.
Rot-weiß karierte Tischdecken,
zünftiges Essen.
Ehemaliger Bouillon.
Schnelle Küche,
volle Mägen,
erstaunlich genießbar.
Flinke Kellner,
Rechnung auf die Decke gekritzelt,
schnell, schnell, schnell!
Bestellen, verspeisen, zahlen.
Ewiger Kreislauf,
stetiger Zulauf.

Touristen stehen an,
dort, wo einst speiste der arme Mann.
Gelistet im Reiseführer,
Kuriosität,
einmal gesehen,
vielleicht wieder hingehen.




Die Geschichte der Filmstudios

Ein historisches Auf und Ab
Culver Citys Geschichte füllt Bände über Bände.

Die ersten Filmstudios wurden geboren,
im Beton von Culver City.
Triangle, Goldwyn, MGM
Namen ändern sich, anderes nicht.

Hollywoods einziger Konkurrent
Er scheint während der Jahrzehnte,
den Kürzeren gezogen zu haben.

Columbia Pictures brachte die Wende.
Totgesagte Viertel sind resilient.

Wer im Film-Business besteht,
der besteht überall.
Garantie für Erfolg

Culver City schläft und wird wiedererwachen.
Ganz bestimmt,
dieser Film kennt ein Happy End.




Die Visionen von Nostradamus

Wer ständig den Untergang der Welt sieht,
der aus dem Alltag längst entflieht.
Er sieht die Hölle auf sich zu kommen,
den Teufel mit seinen Kolonnen,
die ewige Finsternis obsiegt!




Zu Gast in der Stille

Ehemaliges Kloster.
Weißer Traum,
Säulen,
Wasserplätschern im ehemaligen Kreuzgang.

Gipfel der Eleganz,
unaufdringliche Perfektion,
vollendete Kulisse.
Jede chambre,
jede suite
ein Unikum.
Erlesene Stoffe,
indirektes Licht,
exquisite Möbel,
originale Meister
an den Wänden.

Ein altmodischer Fahrstuhl
oder die königsblaue Treppe,
die Schritte werden geschluckt.
Hôtel du silence,
Hotel der Stille.

Namen tun nichts zur Sache.
Madame, Monsieur –
mehr Anrede wäre vulgär.
Inoffizielles Gästehaus der nahen Regierung.
Es atmet Geschichte(n).




Die unbedingte Aufrichtigkeit

Was ist schon falsch und richtig?
Was unehrlich und aufrichtig?
Wohin führen Lügen?
Was ist mit betrügen?

Sollte man nicht unbedingt
die Wahrheit verkünden?
Wird das Auswirkungen haben
auf Freundschaften und Bünden?

Die Macht der Ehrlichkeit
hält für die Ewigkeit.
So sollte man auch ertragen
die Wahrheit ganz im Argen.




Wiedersehensfreude bei den Alumni

Das Alumni-Treffen
Wiedersehensfreude
Vergangene Zeiten
Vergessene Visagen
Vorbeigezogene Geschichten

Neue Lebensentwürfe
Ganze Handlungsstränge,
nun neu gesponnen,
vom Schicksal gestrickt.
Gewoben und zusammengesetzt

Man fällt sich in den Arm,
man begrüßt sich per Handschlag.
Ein Klaps auf die Schulter
Ein anerkennender Blick

Und die sichere Gewissheit:
Die möchte man,
nie wiedersehen!




Die unterirdische Grubenbahn

Einmal unter der Erde fahren,
das wollte ich schon seit Jahren!
In der Dunkelheit
rattert die Bahn eine Ewigkeit
und das nicht ganz ohne Gefahren!




Weihnachten in der Großstadt

Große Erwartungen.
Lichterketten schon
am Bahnhof?
Nein.
Bei Busfahrt ins Hotel
riesige Dekorationen?
Nein.
Ernüchterung.

Weihnachten in Paris?
Wo versteckt es sich?
Fündig auf
kleiner Place:
eisblaue und goldene
Lichterketten über Bänken,
zwischen Bäumen,
Weihnachtsdekorationen
in Restaurants rings
um den kleinen Platz.

Weiter zu den grands magasins,
den Kaufhaustempeln,
dort endlich
fündig!
Weihnachten, bonjour,
Dekorationen zum Träumen,
Lichterozean,
verzauberte Schaufenster,
gigantische Tannenbäume
baumeln von Decke.
Kommerz – nicht immer schlecht.




Eine kriminelle Dame auf dem Papier

Mutter von Miss Marple,
Hercule Poirot.
Schöpferin
einer kriminellen Fantasiewelt
mit Milliardenauflage.

Ihre Kinder hüpften
in Kurzgeschichtenkleidern,
Dramakleidern,
Romankleidern
über die internationale Bühne.

Falsche Fährten,
Enthüllungsverzögerungen,
Rätsel um den Täter.
Agatha Christie,
Grande Dame des Krimis,
spielte meisterhaft
auf der Spannungsklaviatur.




Rückkehr in die ehemalige Gemeinde

Zurück in die alte Gemeinde,
hier sieht er seine alten Feinde.
Viel Ärger gibt es auf dem Kirchenplatz,
da fällt manch böser Satz,
so dass der Priester bitterlich weinte.




Reißbrett als Vorbild

Amerikanische Art,
ein Viertel zu planen
Reißbrett-Entwurf der einfallslosen Art

Schmale Einfamilienhäuser-Armada
Alle mit rotem Dach
Eine Ziegeluniformität,
wie sie nur
in den USA
zu finden ist.

Bau-Gleichklang der negativen Superlative
Jeder Winkel sieht gleich aus.
Ein Labyrinth mit ungewissem Ausgang

Großstädte veröden,
durch solche Planung
ganz bestimmt.




Höhepunkte mathematischer Kunst

Eine neue Gleichung faszinierender Art,
ungelöst, obwohl alle versammelten Mathematiker smart.
Sie staunen und tüfteln gemeinsam,
mit dem neuen Rätsel bleibt niemand einsam

Eine ungeheure Energie geht von ihnen aus
Sie bilden ein großes Denkerhaus.
Gemeinsam sind sie den Variablen auf der Spur.
Doch wie lange brauchen sie nur?




Unschätzbare Stille im Garten

Fleißige Sonnenbader
platzieren sich rund um den Springbrunnen
mitten im Grünen.
Ein Garten in strenger Rechteckform
zur Kur der Erholung
von einer ewig lauten Metropole.
Die Sonnenbader ziehen sich zurück,
hängen ihren Gedanken
auf ihrem eigenen Platz
nach.
Der Jardin du Palais Royal,
ein idealer Sinnier-Ort.

Klassische Anlage
rundum mit Bäumen bestanden.
Wege und Blumen führen außen entlang.
Der Springbrunnen bildet den Kreis.
Das Wasser plätschert unentwegt
im Juli, August, September.
Im September, Oktober, November
leuchtet die Sonne ein letztes Mal.




Die wahren Perlen der Kultur

Wenige kennen sich aus in Kultur.
Die meisten behaupten es nur.
Doch richtige Kulturbanausen
feiern ihre ganzen Flausen
und leisten den Unkultur-Schwur.




Ein Regisseur springt in den Tod

Metallene Hängebrücke
Bekannter Brückenname
Ein Fotomotiv aus dem Album

Unmengen an Wasser
fließen darunter,
ein Fluss, der vieles mitführt.

Metall in Mengen
Nieten und Schweißnähte
Querverbindungen tragen Lasten

Absperrungen sollen
Schlimmeres verhindern.
Doch es reicht nicht.

Unglücke häufen sich
Eine Brücke des Todes
Schlechte Erinnerungen
Dunkle Assoziationen
Endstation für viele
Ein Sprung ins Nichts

Auch bekannten Namen
bleibt nichts erspart…




Die verschwundenen Untergrundstationen

Metrostationen,
die einst
wohlbekannt,
heute ins
Vergessen gefallen:
Saint-Martin,
Champ-de-Mars,
Arsenal,
Croix-Rouge.

Stationen der Alltagsfahrt,
mit der Zeit ungenutzt,
die Station geschlossen,
anderen Zwecken
zugeführt.

Alte Reklametafeln
noch an den Wänden.
Vergangene Werbung
als Emaille
verewigt.
Eine Station
ohne Benutzer,
ohne Metro.

Ziel bloß
noch von Kataphilen,
manchmal Filmlocation.




Das älteste Rabbinerseminar

Jüdisches Leben
Jüdischer Glaube
Eine Kultur,
eine Religion,
wird hier gelehrt.

Schwere Aufgabe
Große Verantwortung
Tanach
Das Alte Testament
Talmud
Die Auslegung
Tora

Die Wegweisung
Drei Elemente,
drei Pflichten,
drei Wege.

Das Rabbinerseminar,
es geht seinen Weg
auch in der heutigen Moderne.

Antworten auf aktuelle Fragen
Sinnhaftigkeit im Unsinn
Beständigkeit im schnellen Wandel




Aufruhr im Treppenhaus

Lautes Getrappel und Geschrei,
was für eine Polterei!
Stimmen kreischen laut auf,
es scheppert ein Türknauf.
Dieses Hochhaus ist eine Lauserei!




Die Gefahr lauert im Untergrund

Das Fußgängerfreilichtmuseum
bedroht
von unsichtbarer Kraft
aus dem Untergrund.
Die Löcher der Jahrhunderte,
der Steinraubbau
fordern Tribut
in Form von Absackungen.

Leere Kammern im Boden
saugen
ein Haus,
eine Straße
in ihren Schlund.
Die zerlöcherte Erde
warnt nicht vor,
das Unglück
kommt plötzlich,
kommt heftig.

Unterirdisches Unheil!
Unheilvoller Untergrund!




Die Formenpracht einer Konzerthalle

Alle erdenklichen Formen,
sie alle finden sich hier.

Silberne Wände,
die jede Struktur nachahmen.
Gestaltenwandler

Ob Quader
Ob Kugel
Oder Kegel
Ihre Grundform findet sich hier,
aufgegriffen und verbessert,
neu definiert,
bis zur Unkenntlichkeit verzogen.

Vollkommene Formenansammlung
Doch im Inneren bleibt man sich treu,
die klassische Aufteilung,
sie bleibt erhalten.
Ganz konservativ

Akustik durch Form
Vollendung im Auftritt




Arbeitsplatz mit Aussicht

Worte aller Sprachen
rauschen am Fahrstuhlführer vorbei.
Jeden Tag Tausende
von Besuchern,
die hoch hinauswollen.
Panoramablicke
von der eisernen Lady.

Immer dieselben Handgriffe,
Konzentration
darf nicht schwinden.
Monotonie bekämpfen.

Ein Arbeitsplatz
mit Ausblick.
Die Fahrstühle
fitte Greise,
seit der Eiffelturmerbauung
Dauerbetrieb.




Matratzenhorchdienst

Wenn man nicht einschlafen kann
und unruhig wird man dann,
wenn man sich dreht auf die Seite
und dann rechts auf die zweite,
die Nacht wird dann lang.




Der Antrittsbesuch bei der Familie

Der Verlobte wird vorgestellt,
die familiäre Musterung rasch über ihn schnellt.
Sein Herz schlägt bange,
alle Familienmitglieder nehmen ihn in die Zange.

Fragen prasseln auf ihn ein,
keine Sünde wird unentdeckt sein.
So ein Familienantrittsbesuch ist anstrengend,
Zuneigung und Misstrauen zunächst vermengend.

Ist die Prüfung bestanden,
wird aller Argwohn versanden.
Der Neue ist im Familienschoß aufgenommen
und wird nicht länger vernommen.




Es lockt das rote Schild

Langgezogene rote Schilder
Metropolitain.
Weiß auf Rot.
Weithin sichtbar.
Gehalten von
schmiedeeisernen Schönheiten,
die sich ranken
um das rechteckige Schild.
Die Treppen in den runden Platz
eingepasst.
Palmen wachen
vor dem eleganten Stadtpalais,
Bibliothèque Thiers,
über den Platz.
Zweiter Eingang scheint aus elegantem
Stadthaus gegenüber zu kommen.
Eine elegante Szenerie.

Die beiden schönsten Metroeingänge der Stadt.
Nur Kennern bekannt.
Niemals überfüllt.
Ein Genuss fürs Auge, fürs Gemüt.
Hier nimmt man die Metro gern.




Ein Geschäft für starke Nasen

Käse
aller Arten,
aller Formen,
aller Gerüche
stinken um die Wette.
Käsesorten
heimsen
Preise ein.

Laibe buhlen
um Nasenaufmerksamkeit,
um Augenkontakt.
Das Käsegeschäft,
ein gefährliches Pflaster
für Nase und Portemonnaie.

Für den einen abstoßend,
der Höllenvorhof,
für den anderen anziehend,
Paradiesgefilde.
Am Käsegeschäft
scheiden sich
die Nasen.




Ein notwendiger Schuhtausch

Ist der Schuh viel zu klein?
Drückt er in die Zehen hinein?
Dann möchte ich deine Schuhe haben,
du hast die Füße eines Knaben,
du läufst die Schuhe sicher gut ein.




Stadt voller Kasper

Überall tobt er über die Bühne
begleitet vom Kindergeschrei,
vom Kinderlachen,
vom Kindergeheul.
Er sitzt im Jardin du Luxembourg,
auf den Champs-Elysées,
im Parc des Buttes-Chaumont.

Der Vorhang geht auf,
Guignol nimmt die kleine Bühne ein,
jagt seinen Widersacher,
spricht zu den Kindern,
kabbelt sich mit dem Gendarmen.

Ein lustiger kleiner Kerl,
niemals altmodisch.

Die älteste Bühne
in den Jardins des Champs-Elysées.
Ein kleiner, grün-gelber Kasten
gleich einem Gartenhäuschen.
Der rote Vorhang ausgeblichen,
die Holzbänke unbequem,
aber niemals leer.

Glänzende Kinderaugen
werden ihn noch lange verfolgen.
Ein Spaß über Generationen hinweg.




Der Wasserturm neben der Basilika

Ein Nachbar der Basilika
Sacré-Cœur.
Ein weißer Turm
aus Stein,
passend zur Kirche.
Stabil, doch elegant.
Ein Wasserträger.
Stabil, verlässlich,
lebensnotwendig.
Ein Markstein im Pariser Panorama.

Zwei Wassertanks
in der oberen Hälfte:
Trinkwasser.
Zwei Wassertanks
eine Etage tiefer:
nicht trinkbar.

Wasserspender
für Privathäuser,
Geschäfte,
Reinigungsdienste.

Ein funktionales Gebäude
mit ansprechender Ästhetik.
Eine Seele
auf dem Montmartre-Hügel.




Eine aufwändige Verschleppung

Jemand soll wie vom Erdboden verschwinden,
sehr viele Aktionen sind zu erfinden,
niemand darf ihn je wiederfinden,
daher müssen sich alle Helfer schinden.

Die Verschleppung muss glücken,
manch einer sich mehr bücken.
Waffen sind rechtzeitig zu zücken,
und viele Möbel zu rücken.

Das Ganze soll gelingen,
der Verschleppte muss rasch schlingen,
die letzte Mahlzeit in Freiheit,
bevor er endet unter dem Joch der mangelnden Gleichheit.




Katakomben mit Fallgrube

Ein böser Bube
fällt in die Grube.
Da unten hört ihn niemand schreien,
so kommt auch keiner ihn zu befreien.
Wie gern säße er in einer warmen Stube!




Odor-Ode

Die heimliche Hauptstadt
der Düfte.
Seit Jahrhunderten
wabern sie
durch Gassen und Straßen.

Viele Italiener
zog es einst an die Seine.
Kreationen für die Nase,
Oden an die Geruchsnerven,
Verführung der weiblichen Eitelkeit,
des männlichen Stolzes.
Geruchskreationen
für beide Geschlechter.

Paris behauptet seinen Platz
im Tempel des Odor.
Geruchsband
zieht durch die Jahrhunderte.




Eine Spanische Mission als Bahnhof

Ein Bahnhof wie eine Missionsstation
Ein langgezogener weißer Kasten

Romanische Fensterform
Spartanischer Stil
Schmucklosigkeit als Zweck

Massives Bollwerk
Ein Uhrenturm wie ein Kirchturm

Dieser Bahnhof
scheint keiner zu sein.
Die LA Union Station
sprengt jegliche Architektur.

Das Spanische Kolonialreich,
es scheint wiederzukommen,
mit mächtigen Schritten.

Franziskaner, Jesuiten oder Dominikaner,
sie betreiben diesen Bahnhof nicht.




Die Ulmenerweckung

Direkte Achse
zwischen Louvre
und Place de la Concorde.
Le Nôtre-Kind,
1665 geboren.

Zu alter Schönheit zurückvegetalisieren,
zu historischem Gartenreichtum durch
Ulmenerweckung,
92 an der Zahl.

Sie kehren zurück,
die einstigen Tuilerienbewohnerinnen,
erheben sich rechts und links
der großen Allee.

Wir schreiten hindurch,
blattüberdacht
schattengetränkt,
wir schreiten
durch den hellgrünen Traum.




Sofortige Luftveränderung

Raus aus der Stadt, rein ins Land,
damit man sich wieder entspannt.
Atemzüge reiner Luft
Anregender Naturduft
Wie erholsam ich das fand!




Das verschwundene Riesenrad

Wo ist es nur geblieben?
Mal kurz erblickt,
hastig vom Bus aus,
verschwunden
in der Eile.
Beim Besuch des Concorde-Platzes
abhanden.

Das Riesenrad
entzog sich mir.
Vergessen, dann endlich recherchiert,
nur ein temporärer Concorde-Bewohner,
im Winter zu sehen,
dann weitergezogen.
Erwischen werde ich es,
nun habe ich mich erinnert,
auf zum Concorde-Platz im Dezember.




Vom schwarzen Gold und von Bohrinseln

Künstliche Landkreationen
Ölfelder im Meer
Bohrinsel mal anders:
Die THUMS Islands.

Die Anfangsbuchstaben der alten fünf:
Texaco
Humble Oil
Union Oil
Mobil
Shell Oil Company

Insel-Akronym
Schatzinseln
Schwarzes Gold in Mengen
Grüne Dollarnoten sprießen

Dort sprudeln die Quellen,
sie scheinen nie zu versiegen,
auf dem freien Ozean.




Ein guter Beobachtungsposten ist Gold wert

Wenn man will etwas entdecken,
dann kann man seinen Hals recken
oder man klettert weit hinauf
und sieht von fern den Landschaftsverlauf
mit all seinen Wäldern und Verstecken.




Verbotene Abkühlung

Baden verboten,
Verbotenes reizt,
die Kühle lockt
an schwülen Sommerabenden
die Badewütigen
ins Fontainenwasser,
der Trocadéro blickt gnädig weg.

Plantschen
in blauer Poolbeleuchtung,
Eiffelturmblick inklusive.

Die Touristen begeistert,
tolle Selfie-Motive,
die Handys surren,
leises Klicken,
die Badeverbotsbrecher
in ewig Digitale gebannt.




Der Stundenplan der Hafenschule

Klassenausflug auf die Insel
Segeln als AG
In der Hafenschule,
da stehen andere Dinge
auf dem Stundenplan.

Das Meer fordert seinen Tribut
und die Schüler zahlen ihn gern.
Nur an wenigen Orten
gibt es solche Schulen.

Das Wasser hat eben
seine eigene Magie.
Im Takt des Meeres
wird unterrichtet
und auch gelernt,
so viel steht fest.

Flut und Ebbe
Mond und Sonne
Strand und Schule
Alles beeinflusst sich.




Das Kornfeld als Quelle

Die Kornkammer der Großstadt,
sie liegt an ihren Grenzen.

Hier ist das Kornfeld heimisch.
Ein historischer Park,
der mehr Bewässerung
vertragen könnte.

Neben langen Gleisen,
liegt er danieder.
So manches Zuggeräusch
lässt aufschrecken.

Kunstprojekte,
sie kommen und gehen.
Mal Zentrum des Interesses,
mal Nebenschauplatz Downtowns.

Immerhin:
Die Rollen sind hier klar verteilt.
Ein Kornfeld ist ein Kornfeld
und ein Park ist ein Park.




Ende

© 2021 Nicolette Marquis https://www.carminis.de