2002-2003Gedicht

Gedicht und Limerick – Schaffensphase März – April 2002






Rollbahn über Rollbahn

Ein Labyrinth
aus weißem Beton
Ein Irrgarten der Lüfte

Wege führen zusammen
und trennen sich wieder.

Ausgangspunkt?
Wo ist er?
Endpunkt?
Nicht in Sicht!

Rollbahnen
Parallel und gekreuzt

Ein steinerner Wirrwarr,
unmöglich zu durchschauen,
kaum zu lesen und zu beherrschen.

Striche über Striche
Weiße Linien als Wegmarkierungen
Als Anhaltspunkt für Bahnen

Übersicht?
Wer hat die schon?
Souveränität?
Wer übt die denn aus?

Wer bewahrt den kühlen Blick
im Chaos der Rollbahnen?

Bahn liegt neben Bahn
Feld neben Feld
Ein Fehler und sein Unfall
Tragödie auf der Rollbahn




Der infernale Autobahnkreis

Hexenkessel
Ein kreisrunder Rausch
Die Autogeräusche omnipräsent

Nie wird man sie los,
diese Autobahn.
Irgendwo ist sie immer.

Kreisgefängnis für Downtown
Steigender Geräuschpegel
Eine Lärmspirale
Eskalation der Unerträglichkeit

Es scheint so,
als würden die Autos
Extrarunden drehen.

Kein Stillstand im Autobahnkreis
Die nächste Welle
rauscht vorbei.

Zu groß geratener Kreisverkehr!
Eine Miniatur, die vergrößert wurde,
auf ein Maß des Wahnsinns.

Lärmendes Verkehrsinferno
Raserei mit Paukenschlag
Welch 24-Stunden-Gepolter!




Böse Überraschung an der Gepäckabfertigung

Wer mit dem Flugzeug startet,
am Ziel auf seinen Koffer wartet
und dann mit leeren Händen dasteht,
während die Urlaubslaune vergeht,
dessen Urlaub ausartet.




Schlangen vor dem Eisgeschäft

Eisspezialist
auf der Insel
des heiligen Ludwig.
Holzgetäfelt,
altmodisches Exterieur.

Lange Schlange
vor der vielfarbigen Kühle.
Frische Sorten
nur hier bekannt,
das Geheimnis
in Familienhand,
wohlgehütet
weitergegeben
verfeinert, verbessert.
beständiges Streben.

Selige Gesichter
schlecken
die berühmten Kugeln.
Kleinod nebenan,
zartes Café
in lila Hand,
adrette Schürzen,
Platzierung,
winzige Tische,
herrliche Enge.
Die Kugeln schweben heran.
Pfirsich-Schokoladentraum,
garniert mit Himbeerparfait.

Verzaubert
für eine Stunde,
für zwei.
Eispalast,
ewige Verlockung.
Wer könnte widerstehn‘?




Kaufhauseleganz

Das eleganteste Kaufhaus
nicht hoch, aber breit,
weite Fläche,
Eintritt durch goldene Türen
ins Vestibül.
Weitere Türen,
überall Licht,
glatte Flächen,
edle Waren,
bekannte Namen,
international.

Es blendet,
so viel Glanz.
Freischwebende Rolltreppe
entführt in helle Höhle.
Traum in Weiß,
leise Stimmen,
weiche Stoffe,
verloren im Reich der
schönen Muster,
prächtigen Farben.
Prêt-à-porter auf jeder Stange,
die Faszination – sie währt lange.

Abstecher ins Untergeschoss,
in die Bücherhölle,
Kontrastprogramm zum edlen
Schein von oben,
Nervennahrung.
Und überall weht
– ein Hauch Parfüm durch die Luft.




Hinterhältigkeit trägt Anzug

Ein Heuchler, der den Anzug
mit solcher Verachtung trug,
der hat die Verschlagenheit neu erfunden
und das in wenigen Sekunden,
der kriegt von Boshaftigkeit nie genug.




Zu Gast in der Kanalisation

Es stinkt im Untergrund.
Alles, was wir nicht mehr wollen,
fließt dorthin.
Wir können es besichtigen.
Zu bestimmten Zeiten.
Hinabsteigen in die Kloake,
nicht bei Regen,
zu große Gefahr.

Lernen über die Abwasserkanäle,
ausgeklügeltes System,
ein regelrechtes Museum
entstand,
überlebte.
Heute ein Kuriosum
im Reiseführer,
nicht jeder hat Zeit,
will Zeit haben

Das Musée stellt sich
der hässlichen Realität,
der dreckigen Realität,
der stinkigen Realität.
Ohne Abwassersystem
keine oberirdische Sauberkeit.
Falsche Vornehmheit
übersieht die praktische Notwendigkeit.
Ein Besuch
für jeden ein Muss.




Zwei Planlose in der Wüste

Unwirtliche Gegend für ein Treffen
Hartes Umfeld dieser Umwelt
Sand und Trockenheit en masse
Feindselige Manier einer Wüste

Planlos eine Zusammenkunft
Bar jeglicher Vernunft

Wer kein Ziel verfolgt,
der bald um sein Leben kämpft!
In feindlicher Umgebung
braucht man eine Belebung,
sonst endet man ohne Plan
im Sandgrab!




Ein Viertel boxt sich durch

Boxsport
Sehr beliebt
in Maywoods Straßen.

Viele Box Clubs
säumen den Weg.

Befestigte Boxsäcke
Aufgehängte Boxhandschuhe
Eine Kultur etabliert sich nun.

Der Ring als besonderer Ort,
ein Ort der Magie und des Erfolgs.

Aufstieg durch Boxen
Viele Hispanics als Boxer,
waren erfolgreich im Ring.

Ein Vorbild für viele
Ein Weg für wenige
Man boxt sich durch,
in Maywoods Straßen.




Der verschwundene Kaufhaustempel

Bastlerparadies im Untergeschoss.
Duftparadies im Erdgeschoss.
Modeparadies im 2. Stock.
Bücherparadies ganz oben
unter der lichtdurchfluteten Kuppel.

Von oben Blick hinab.
Geschosse gleich Theaterlogen.
Luft zum Atmen.
Rolltreppe fährt zur nächsten Loge
nach oben,
nach unten.

Ganz oben herrliche Terrasse
gekrönt von Aussichtsplattform
mit altmodischer Karte:
dreihundertsechzig Grad Paris,
herrlicher Blick auf Seine.

Heute all dies
verschwunden.
Flaggschiff der Samartaine
gesunken.
Mutterhaus und Töchter
ermordet.




Neustart für die Sinne

Abtauchen ins Grüne
Etwas abseits vom Trubel
Ein Naturgebiet in den Fängen der Stadt

Bäume und Berge
Naturwelten
Eigene Regeln gelten hier.

Vogelgezwitscher
Man hört sie wieder.
Urtümlicher Klang

Statt lautem Gehupe,
die Stimme der Natur,
leise, aber unaufhörlich.
Durchdringend durch all die Herrlichkeit

Ursprungsgeruch
Die Sinne neugestartet
Dinge wahrnehmen,
die man sonst nie sieht.

Den eigenen Horizont,
man kann ihn erweitern.
Sinne nutzen,
die sonst stumpf ungenutzt sind.

Ein regelrechter Neustart
im eigenen Kopf.
Ein neues Hochfahren
von nicht verwendeten Fähigkeiten.

Der Urzustand eines Großstadtmenschen
Hier wird er geändert




Ein verschwundener Obdachloser

Einer ohne Obdach
ist recht schwach.
Den kann man leicht attackieren,
dessen Spuren werden sich schnell verlieren.
Das ist so brutal wie einfach!




Ein weltweit bekannter Glöckner

Buckliger Bekannter,
als Quasimodo bekannt,
lange verkannt,
erst Hugo zieht ihn aus
dem Dreck,
auf dass ein jeder sich
nach ihm reck‘.

Quasimodo,
Herr über die Glocken,
einsames Leben
zwischen den beiden Türmen,
in den beiden Türmen,
umherhuschen
in seiner eigenen Welt,
irgendwo zwischen
Himmel und Erde.

Die Glocken,
sie betäubten seine
Ohren.
Quasimodo,
die schöne Esmeralda,
er will sie erretten,
kann ihren Tod nicht
verhindern,
aber sie im Tod
schützen.




Die Kaperung des eigenen Büros

Sein Büroreich
Sein Platz zum Arbeiten
Ein kleiner Hort des Rückzugs
Gekapert und besetzt!

Die fremden vier Wände,
die die seinen waren,
sind nun gegangen in andere Hände.

Ein Diebstahl an Platz,
eine Verdrängung am Arbeitsplatz,
ein unerhörter Austausch an Leuten.

Eine ungestrafte Kaperung
Verboten sollte sie sein!
Und doch praktiziert!




Alle Flaggen leuchten Bordeaux und Gold

Die Unifarben
Bordeaux und Gold
Leuchtend hell
Lassen alles verblassen

Auf Flaggen
Auf Uniformen
Auf Trikots

Egal wo,
egal wer
und egal was:
Getragen werden sie immer!

Identifikation durch Farbe
Zusammenhalt durch Couleur
Einheit durch Kolorierung

Ein neuer Anstrich?
Das darf niemals geschehen.
Identitätsraub durch Neueinfärbung




Wenn einem nie die Puste ausgeht

Mit der richtigen Ausdauer
hat man so richtig Power,
da kann man ewig lange laufen,
dann muss man niemals schnaufen
und das für eine gehörige Zeitdauer.




Ein Eisenbahngürtel grünt

Einst Gürtel um Paris.
Dampfgürtel,
Verbindung der Außenbezirke untereinander,
kleiner Gürtel,
großer Gürtel.

Mit dem Fortschritt
neue Wege.
Tramway übernimmt.
Die alten Gleise versinken
im Dickicht,
hinter Büschen,
erspähbar von Brücken,
durch Löcher in Zäunen.
Verbotenes Terrain.
Herrliche Spaziergänge
über Gleise,
die ins Nirgendwo führen.
Verboten, verrotten, verloren.
Immer weiter im Kreis um Paris laufen.
Das wär’s.
Nie ankommen!




Der hochliterarische Einmischer

Lichtes Wohnhaus
in schmucker Straße.
Ort der Anklageschrift:
J’accuse.

Ein Autor
mischt sich ein,
schweigt nicht,
ergreift Partei
der Geächteten
in der Jahrhundertaffäre.
Emile Zola.

Er strömte
im Naturalismus,
begründete und schuf
die Richtung.
Und zugleich
eine engagierte Feder,
ein Journalist
der aktiven Art.

Viele Gelegenheitsarbeiten
zu Beginn
des Karriereberges.
Zollamtsschreiber
Hachette-Mitarbeiter
der ersten Stunde.

Liebe für drei Frauen,
Literatur, Ehefrau und Geliebte.




Beschwerliche Arbeit im Klostergarten

Das Kloster ist ein Ausbeuter,
lässt ihn arbeiten für Heilkräuter.
Dann muss er alles umpflügen,
dabei muss man ihn noch rügen,
er sei faul und ein Zerstreuter!




Die Stelle der Toten

Schauplatz des Todes
Tatort eines Straßenkampfes
Einwohner kennen die Stelle,
wo einst die Toten lagen.

Manche erinnern sich,
viele verdrängen,
noch mehr vergessen.

Zu schlimm waren die Bilder,
zu hart der Alltag.
Zerfetzte Körper,
durchschossene Autotüren,
eine Abrechnung,
blutig zugestellt.

Ambivalente Erinnerung
Eine Kultur des Wegschauens
Eine Haltung des Weitermachens
Des Ausharrens
Gleichgültigkeit an der Stelle




Sicherheitsvorkehrungen der Botschaft

Sicherheit in der Zeitenwende
Aufrüstung, die spricht jetzt Bände.
Alles ist nun plötzlich anders,
was früher ging, ist heute verpönt.

Schleusen, die so lange dauern,
Wartende, die längst versauern.
Alles wird nun kontrolliert,
der Inhalt der Taschen protokolliert!

Dies ist kaum noch auszuhalten,
trotz Gefahren und Gewalten!
Das muss ein Ende haben,
sonst wird die Freiheit gänzlich fahren!




Ein seelenloses Musikhaus

Rund,
modern,
auf historischem Platz.
Tolle Akustik.
Perfekter Klang.
Seelenlos.
Vom Verkehr umtost,
Musikinsel.

Die moderne Schwester
der Opéra Garnier.
Ein kreisrundes Gebilde.
Freie Sicht von allen Plätzen
auf bis zu neun Bühnen.
Ein Kunstgenuss für jedermann,
Ganz im Sinne des Erfinders.
Nüchterne Zuschauertribünen
Ohne Pomp vergangener Zeiten.
Natürliches Oberlicht.
Ein Musikgenuss, kein Augenschmaus.
Ein Konzertbesuch
empfiehlt sich.




Alle Termine brechen zusammen

Unvorhergesehenes passiert,
da ist der Zeitplan massakriert.
Dann wird munter aufgeschoben
und leider gar nichts aufgehoben.
Die Nerven man in jedem Falle verliert.




Die perspektivische Auflösung

Gold-gelbes Carré
Ein sympathisches Quadrat
Aussicht auf den Containerterminal
und das offene Meer.

Der Abschnitt,
er scheint sich
perspektivisch aufzulösen,
mit der Weite zu verschmelzen
und eins zu werden
mit dem Horizont.

Linien verschwimmen,
verziehen sich
und verwischen mit dem Meer.

Der optische Geheimtipp,
ein seltenes Plätzchen
der unendlichen Weite.




Ein Kaufhauskoloss tritt ab

Jahrzehntelang ein
Fixstern am Kaufhaushimmel,
nein eine Galaxie:
Warenhort,
Käufermagnet.
Die Rolltreppen
rollten
den ganzen Tag,
nach oben,
nach unten.
Eine nichtendende
Käuferkette.

Nun die Galaxie geschlossen,
der Fixstern verglüht.
Dunkles Gebäude
mit trauriger Fassade.
Rolltreppen eingemottet,

Traurige Exkäufer
bleiben stehen,
hoffen auf ein
unwahrscheinliches
Wiedersehen.




Über hundert Jahre Olympische Tradition: 1904-2014

USC als Dauerteilnehmer
Immer haben sie einen gestellt,
bei den Olympischen Spielen.

Stets war einer dabei.
Man gewöhnte sich daran,
dass eine Universität
ein Dauerabonnement
abgeschlossen hat.

Kontinuität im Sport
Ein verlässlicher Partner,
einer der die Leistung
konstant abrufen kann.

Hundert-Jahr-Feier
Alleine das,
sollte eine Goldmedaille
schon wert sein.




Ein probenbesessener Kapellmeister

Es wird geprobt das Musikstück,
rauf und runter, hin und zurück.
Eine Probe schließt sich der nächsten an,
er nimmt die Musiker sehr hart ran.
Das ist sein größtes Glück.




Das Arkadendiner

Vertrauliches Diner
an verstecktem Platz,
eine Eingangstür
im Arkadenquadrat
des Place des Vosges.

Elegante Diskretion
trägt einen Namen:
Ambroisie.
Erlesene Zutaten,
klassische Karte,
ausgewählte Gäste.

Ein Gourmettreffpunkt:
Schlemmen im Versteckten,
die Haute Cuisine
hier zu Hause,
kein Zufall,
nur Können,
Perfektion
für Zunge und Auge.
Einmal hier gegessen,
alle anderen Restaurants
für immer vergessen.




Prachtvoller Prunk oder vergänglicher Reichtum?

Marmorne Hallen
Ein matter goldener Glanz
Kostbare Stoffe
Prunk in jeder Ecke

Gehobener Luxus
Ein Hauch Dekadenz
Barock oder Klassisch?

Alles wird bedient.
Kontrastprogramm
zur übrigen Welt.

Stilbruch,
aber nur außerhalb.
Innerhalb,
die reinste Kohärenz.
Alles passend
für ein goldenes Paradies.

Wird man das Paradies
verlassen müssen?
Oder geht es unter?




Geschichten verschachteln sich

Verschachtelungskünstler
der höchsten Güte.
Jeder Roman
eine Kommode
vieler Schubladen,
die im Geschichtsverlauf
sämtlich geöffnet
und geschlossen werden.

Joel Dicker,
Schweizer der Frankophonie.
Fallois-Zögling,
ein Schüler – ein Meister,
ein meisterhafter Schüler
schreibt sich
seinen Weg in
den Literaturhimmel.
Zu Beginn anstrengendes
Flattern,
nun sorgloses
Gleiten
über die Plot-Untiefen.
Jeder Roman
eine Sprachhommage.




Die Gleichung geht nicht auf

Mit Variablen auf beiden Seiten
kann man schnell in die Irre gleiten.
Eine Äquivalenzumformung unrichtig,
schon ist die ganze Gleichung nichtig
und nichts mehr da, um abzuleiten!




Die fingierte Mitgliederliste

Eine Liste leuchtet
hell. Erlauchte Namen,
Adelstitel, Wirtschaftsmagnaten,
Politprominenz. Doch
das Funkeln, ein falsches
Strahlen.
Fingierte Mitglieder
bevölkern den
elitären Herrenclub
als reine Chimären,
Geister des Scheins.

Begierige künftige
Clubmitglieder
glaubten das Prunktor
zu durchschreiten,
doch hinter der Fassade
eine klatschende Enttäuschung.




Mitten im internationalen Flair

Sie knubbeln sich.
Im siebten und achten Arrondissement.
Alle wollen hier
ihre Landesvertretung.
Es gehört sich.
Es geziemt sich.
Wer woanders seine Landesflagge hisst,
hat verloren.
Nur dort internationales Parkettflair.
Bankette im historischen Palais.

Gartenpartys im verwunschenen Park.
Man wispert, man flüstert.
Neuigkeiten machen die Runde,
Gerüchte werden aufgebauscht.
Das Gefühl dazuzugehören.
Herz internationaler Politik schlägt hier.
Vermeintlich.

Es ist alles wichtig.
Niemals etwas nichtig.
Wer durch das richtige Portal schreitet,
hat einfach gewonnen.




Wissen unter der Kuppel

Wissenschaft aufgehübscht
Ob Raumfahrt oder das alte Ägypten,
alles wird einfach erklärt.

Siegeszug des Wissens
Modernes Gewand
Ausstellungsstücke glänzen

Man schreitet durch Jahrhunderte,
bewundert Erfindungen,
Wunderwerke menschlicher Ingenieurskunst.

Hier wurde Wissen erweitert,
der Horizont verschoben,
Grenzen neu definiert.

Eine Sammlung an Geistesgrößen,
an Geistesblitzen,
eine Verbeugung vor dem Fortschritt.




Eine Reihe voller Postsäcke

Heute schreibt man wieder Brief,
von wegen alter Mief!
Es stapeln sich die Postsäcke
auf der ganzen Bahnhofsdecke.
Zum Glück ist die massiv!




Ein Geschäft mit Seele

Eine Comtesse fuhr Auto,
damit begann es.
1905.
Trockenes Gesicht,
Autocreme erfunden.
Geschäft eröffnet,
Name Detaillle.
Allerliebst.

Winzig, in erster Etage,
rue Caumartin 13,
dann Umzug
in rue Saint Lazare.
Belle Epoque-Schätzchen,
auch heute noch.

Zeitreise.
Döschen, Quasten, Fläschchen.
Wunderbar altmodisch.
Frauenparadies.
Gediegenes Interieur,
Holz,
Kacheln.
Schönheitsschatullchen.

Ein Geschäft mit Seele.
Ein Geschäft für die Seele.
Geheimrezepte gehütet
durch die Zeit behütet.
Es lechzt die Dame
nach Tradition.
Neuheiten hier wohldosiert.
Puder nur vom feinsten –
Reispuder, versteht sich.
Parfümrezepturen aufgefrischt,
die Cremes getestet
an Tausenden schöner Kundinnen.

Treue an den Kundinnen,
Treue der Kundinnen.
Ein Parfümeriewinzling
mit Geschichte.
Und Anziehungskraft.




Ein Sturm von Nostalgie

Schwarz-weiße Tasten
erblickten hier das Licht der Welt.
Klaviere zogen aus,
erfüllten Pariser Wohnungen
mit wohltönenden Klängen.

Zehn Jahre vor dem zwanzigsten Jahrhundert.
Datum ungenau,
Umbau in Künstlerateliers.

Das Dorf Montmartre
und seine Maler, Bildhauer,
Picasso, Modigliani,
van Dongen, Matisse,
Braque, Cocteau,
Nina Negri.

Am 12. Mai 1970 verschlingen
die Flammen
Das Künstlerquartier.
Die Pinsel längst ausgeschwenkt.




Der aufgebrachte Wagenlenker

Unruhe am Steuer –
niemals ein willkommener Gast.
Sowohl Kutscher als auch Autolenker
sollten stets walten ohne Hast.

Tiefenentspannt und besonnen,
gelingen alle Fahrten
sicher und zügig.
Niemand kommt zu schaden
Durch unbedachte Aktionen.

Ein aufgebrachter Wagenlenker
ist kein sehr großer Denker.
Er stellt andere hintan
und gibt sich als aufgedrehter Mann.




Der Letzte seines Adelsgeschlechts

Der letzte Mohikaner ist er nicht,
doch der Letzte aus seiner Adelsschicht.
Sein Stammbaum war mal weit verzweigt,
doch nun er sich zu Ende neigt.
Die letzte Stunde nun anbricht.




Das anmutige Schwanenpaar

Schneegefieder glitzert in der Sonne,
königlich gleitet
der erhabene Vogel
in der Seine
hin und her.
Besucht mal das linke,
mal das rechte Seineufer.
Ein Grenzüberschreiter
der anmutigen Sorte.

Seine Frau
treibt ruhig
am Fuße des Eiffelturms
dahin.

Ein Blick,
ein kurzes Nicken,
ein stolzes Strecken
der eleganten Hälse:
Schon gleiten sie zusammen
den Strom
hinab
Richtung Mündung:
ein Paar fürs Leben.




Die Neuentdeckung des Daoismus

Ursprung
Daoistische Wurzeln
Ein fernes Land
wird zum Sehnsuchtsort,
zum Zielort.

Unruhiges Rasten
Aufbruchsstimmung
Hat die Suche wirklich Erfolg?
Was wird man finden?
Und was verlieren?

Viele Träume,
genauso viele Ernüchterungen
auf einem beschwerlichen Weg.

Man spürt sie,
in diesem Verlangen,
jede einzelne Regung
festgehalten für die Ewigkeit.




Die Crêperie gegenüber der Fontaine

Eine dicke Crêpe
mit
Apfelmus und Vanilleeis,
draußen auf der Terrasse
der Crêperie
mit Blick auf
die Kirche Saint-Merry,
das Centre Beaubourg,,
auf eine bunte Häuserwand
voller Sprüche,
voller Ideen,
voller Lebensweisheiten.

Eine Crêperie
mit Anregungen
zum Sinnieren,
über Gott,
über das Leben,
die Kunst,
den Sinn.
Ein gewöhnlicher
ungewöhnlicher Ort!




Der verhungerte Musikus

Das Zupfen an Gitarrensaiten
brachte unterm Strich nur Pleiten.
Unterwegs war man ständig,
doch mehr hungrig, als lebendig.
Lieber zu was Ernsthaftem schreiten!




Großstädtische Gegensätze

Treue, ehrliche Parisbesucher,
kindliches Staunen, staunende Ehrfurcht
bewundern das allstündliche Eiffelturmfunkeln,
gestört von unangenehmen Gestalten,
aufdringlich, zudringlich,
mal penetranter Verkäufer, mal heimtückischer Dieb.

Der Champs de Mars, Spielwiese
des bunten Treibens,
eingerahmt von eleganten Straßen,
vornehmen Bauten,
hochherrschaftlichen Palais.

Späte Flanierer
ziehen nonchalant ihre Kreise,
tippeln die Baumalleen entlang,
in Fußgängerhand.

Glitzern neben Gaunereien,
Vornehmheit neben Pöbel,
Chic neben Lumpen.
Gegensätze der Großstadt,
Aufeinanderprallen,
besonders nachts,
auf dem Champ de Mars.




Der größte Kreisverkehr der Welt

Lange Betonadern
sie fließen
zu ihrem Herzen
dem Kreisverkehr:
Der Traffic Circle Area.

Ein ganzes Straßennetz,
es richtet sich darauf aus.
Totale Abstimmung
Straßensymbiose

Der Kreis,
der alles regeln soll.
So mancher Stau,
einige Unfälle,
sie alle wurden verhindert.
Leben gerettet!
Die einfachsten Formen
sind eben die besten!




Die unerwünschte Heimat

Ist man im Dorf aufgewachsen
und fast schon erwachsen,
flieht man in vollem Sprint,
doch wenn man sich besinnt,
muss man sich am Kopf kratzen.




Schwimmen im Paradefluss

Der Paradefluss Frankreichs
mäandert durch Paris.
Manchmal ein Schwimmbecken
für Wagemutige.
Ein Sprung ins kühle Nasse.
Ein Sprung in die Geschichte,
ein Sprung in die Zukunft.

Paris gleich Seine,
Seine gleich Paris.
Ohne Fluss keine Hauptstadt.
Lebensspenderin,
Lebensader,
Lebenswasser.

Die Seine ruft.
Erhören wir ihren Appell,
schätzen wir ihr kühles Elixier,
ohne sie
wäre die schönste Stadt der Welt:
nichts!




Die Beachgirls vom Surfside Beach

Surfen ist nicht überall möglich,
die guten Stellen rar gesät.
Und meistens sieht man viele Männer,
doch auch Frauen sind vertreten.
Die Beachgirls vom Surfside Beach

Sie zeigen eindrucksvoll,
dass auch das andere Geschlecht,
die Wellen bezwingen kann.

Eindrucksvolle Haltungsnoten
Surfen mit dem Wellengang
Die Natur sie wird besiegt
und das jedes Mal.
Von Neuem steigen sie auf ihre Bretter
und das Spiel beginnt wieder.




Eine Liebe aus der Ferne

Die Ferne stellt die Liebe gar auf die Probe,
verhindert gleichzeitig auch lästiges Alltagsgetobe.
Die Partner bleiben sich ewig ein wenig fremd,
auch wenn dies derzeit scheint ein Trend.

Sorgen und Nöte am Telefon besprechen,
lassen Gemeinsamkeiten zerbrechen.
Ein Leben will geteilt sein,
nur dann bleibt die Liebe nicht klein.




Ende

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